Babyblaue Prog-Reviews: Leitfaden: Krautrock (2024)

Leitfaden:

Der Ausdruck Krautrock war einmal ein Schimpfwort. Im angelsächsischen Sprachraum bezeichnete man damit die deutsche Rockmusik etwa der Jahre 1969-73, die - manchmal zu Recht - als hölzerner, stampfender, uninspirierter Teutonenrock empfunden wurde und sich nicht zuletzt durch schlechtes Englisch auszeichnete. In den letzten Jahren hat der Begriff eine weniger abwertende Bedeutung angenommen. Seit dem Aufkommen der Neopsychedelic-Welle, des Electronic/Ambient/Techno-Sounds und anderer drogengeschwängerter musikalischer Szenerien versteht man unter "Krautrock" vor allem die sogenannte experimentelle, elektronische, "hippe" Abteilung der deutschen Rockmusik zwischen 1969 und 1975. In jedem Fall wurde aus dem ehemals geringschätzig gebrauchten Ausdruck "Krautrock" längst das Markenzeichen für ein Sammelgebiet. Unter dem Titel "The Crack in the Cosmic Egg" liegt beispielsweise eine gewichtige Enzyklopädie des Krautrocks in gedruckter Form vor (weiterer Lesestoff hier).

Wer so etwas wie die "Geburtsstunde" des Krautrocks sucht, der findet sie wohl am ehesten auf den Essener Songtagen von 1968 (vgl. dazu unten bei "Guru Guru"). Zu den wichtigsten Labeln des Krautrocks zählten "Ohr" und "Pilz". Als Programm-Macher fungierte hier der Musikjournalist und Rockideologe Rolf-Ulrich Kaiser, der später leider durch eine trivial bis albern betriebene Propagierung sogenannter "kosmischer Musik" - unter der neuen Trademark "Kosmische Kuriere" - von sich reden machte.

Es ist in gewisser Hinsicht sinnlos, darüber zu streiten, ob eine deutsche Band jener Jahre zur Sparte Krautrock gehört oder nicht. Alles war "Kraut", nur die Konnotationen waren unterschiedlich. "Kraut" lässt sich jedenfalls nicht mit "progressiv" oder "experimentell" gleichsetzen. Zwar mochten die Intellektuelleneher Bands wie Amon Düül oder Faust, doch handfeste Rocker standen wohl eher auf Jane oder die Hardrockband Birth Control. Angesichts der Vielfalt deutscher Rockmusik eignet sich der Ausdruck "Krautrock" daher kaum als musikalischer Stilbegriff. "Kraftwerk" etwa werden heute zu den Urvätern des Techno gerechnet, "Guru Guru" neigten nach chaotischen Anfängen bald zu einem durchaus gezähmten Jazzrock. Und das sind nur zwei Beispiele aus einem weiten Spektrum. Als Sonderrichtung teutonischen Musikschaffens unterscheidet man zudem die tiefsinnig wabernde sog. "kosmische Musik" gerne vom real rockenden Krautrock. Spätere deutsche Bands wie z.B. Lake, die einen englischen Sänger hatten und sich internationalen Pop- und Rock-Gepflogenheiten stark anpassten, würde man wohl nicht mehr zum "Krautrock" rechnen. Eine gewisse Sonderstellung nehmen auch die Gruppen aus der ehemaligen DDR ein.

Der folgende Überblick berücksichtigt vor allem solche Bands, die nicht bereits in anderen Leitfäden behandelt wurden oder zukünftig behandelt werden (vgl. die Abt. "Elektronische Musik"). Hier geht es um jene Bands, bei denen die Musik sehr früh und noch weitgehend ungezügelt "ins Kraut schoss" und die vor allem aus der Perspektive des Progs wichtig sind.

Die Hauptliste

Amon Düül II (Deutschland)


Yeti, 1970
Babyblaue Prog-Reviews: Leitfaden: Krautrock (1)

Hervorgegangen 1968 aus der Kommune Amon Düül (die mit dem Songtitel "Mama Düül and her Sauerkrautband start up" vom ersten Album gleich noch der englischen Presse das Schlagwort "Krautrock" lieferte) gehörten Amon Düül II wohl zu den bekanntesten Bands der frühen deutschen Szene.

Nach dem Debüt "Phallus Dei", das nur in Deutschland erfolgreich war, brachte schon das zweite Album "Yeti" den Durchbruch in England (dank dem legendären John Peel). Die ursprüngliche Doppel-LP besteht (bis auf Seite 2) aus ineinander verwobenen Improvisationen, in denen Amon Düül 2 sich alles einverleiben, was die damalige Szene so hergab. Man findet Syd Barretts Floyd und Velvet Underground, Operettengesang neben den Stooges oder MC5, Indisches, Geigengeschrammel, mit Akzent gesungenes Englisch - alles herrlich unbekümmert zusammengewürfelt, wie es wohl nur in einem Land passieren konnte, das keinerlei musikalische Tradition in der Popkultur hatte."Archangels Thunderbyrd" klingt wie eine zeitlupenhafte Version der Sex Pistols und war einer der Singlehits, und auf "Sandoz in the Rain" gibt es eine "Reunion" mit Amon Düül I.

Überhaupt wechselten die Mitglieder im weiteren Verlauf der Bandgeschichte häufig - oft zwischen Düül I und II. Andere verabschiedeten sich komplett, zeitweise gab es mit UTOPIA sogar ein Konkurrenzprojekt (wunderbar nachzulesen in dem Buch "Tanz der Lemminge" von Ingeborg Schober).

Diese permanenten Wechsel blieben leider nicht ohne Auswirkungen auf die Musik. Nach dem durchwachsenen "Tanz der Lemminge" strafften Amon Düül II ihre Songs auf den Platten Carnival in Babylon, Wolf City, Vive la trance & Hi Jack, ohne ihre Mixtur aufzugeben. Mit einem Sampler, einer Liveplatte und dem ursprünglich als Musiktheater konzipierten und als Doppelalbum herausgekommenen "Made in Germany" (hier nahm man noch einmal eine Mixtur aus allem auf und spielte gekonnt mit dem Image des Krautrocks) endete die klassische Phase der Band. Danach brachten größere Umbesetzungen den Weg in den Mainstream und die Belanglosigkeit und 1977 mit "Almost alive" den vorläufigen Schlusspunkt.Später gab es vereinzelte Reunion-Versuche (Vortex, Nada Moonshine) und eine englische AMON DÜÜL-Besetzung um John Weinzierl. Seit Mitte der Neunziger sind Amon Düül II mit allen wesentlichen Mitgliedern wieder als Liveband aktiv.

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Ash Ra Tempel (Deutschland)


Ash Ra Tempel, 1971
Babyblaue Prog-Reviews: Leitfaden: Krautrock (2)

Ash Ra Tempel entstanden 1970 in Berlin, wo Gitarrist Manuel Göttsching und Bassist Hartmut Enke auf Klaus Schulze trafen, der vorher kurze Zeit bei Tangerine Dream getrommelt hatte. 1971 erschien das Debüt-Album "Ash Ra Tempel", im zeitgemässen Gimmick-Cover (zweiflüglig aufklappbar). Aber nicht nur die Verpackung war aufsehenerregend: der erste Track des Albums, das fast zwanzigminütige "Amboss", wird seinem Namen voll gerecht. "Amboss" ist ein endloser psychedelischer Freakout, eine unglaublich energetische instrumentale Orgie, ein Trip, bei dem Bass, Schlagzeug und die teils mehrfach übereinander gelegte Gitarre immer wieder zu einer Einheit zu verschmelzen scheinen. Die zweite Nummer, das 25minütige "Traummaschine" kommt dem Titel gemäß ruhiger, meditativer daher, auch wenn hier gelegentliche Ausbrüche nicht fehlen.

Nach ihrem aufsehenerregenden Debüt veröffentlichten Ash Ra Tempel noch einige feine Scheiben - allerdings ohne Klaus Schulze, der die Band zugunsten seiner Solo-Karriere wieder verließ -, etwa das stellenweise fast nach Can klingende "Schwingungen". Sie gerieten dabei aber in das Umfeld Rolf-Ulrich Kaisers und seiner "Kosmischen Kuriere". Dabei entstanden Alben, die zwar musikalisch durchaus überzeugen können, an denen aber dennoch arg der Zahn der Zeit genagt hat, etwa "Seven Up" - die Kolloboration mit LSD-Papst Timothy Leary - und vor allem das monumental angelegte Doppel-Album "Tarot" des Schweizers Walter Wegmüller, das heute eher für unbeabsichtigte Heiterkeit sorgt.

Ab 1974 war Ash Ra Tempel de facto Manuel Göttschings Solo-Unternehmen, 1975 erschien "Inventions For Electric Guitar", das - komplett im Alleingang aufgenommen - nur aus übereinandergelegten und bearbeiteten Gitarrenspuren besteht, aber ein durchaus interessantes Experiment abgibt. Ab 1977 wurde der Name des Projekts zu "Ashra" verkürzt. Nach sehr ruhigen 80er Jahren begann Manuel Göttsching in den 90er Jahren wieder verstärkt unter dem Namen Ashra zu arbeiten, unter anderem mit dem alten Kraut-Haudegen Harald Grosskopf. 2000 kam es schliesslich sogar zu einer Reunion mit Klaus Schulze, die in einer gemeinsamen Platte und einem gemeinsamen Live-Auftritt mündete.

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Can (Deutschland)


Monster Movie, 1969
Babyblaue Prog-Reviews: Leitfaden: Krautrock (3)
Tago Mago, 1971
Babyblaue Prog-Reviews: Leitfaden: Krautrock (4)

Can wurde im Juni 1968 von fünf Musikern mit sehr unterschiedlichem Hintergrund gegründet. Irmin Schmidt (Keyboards), Holger Czukay (Bass) und David Johnson (Flöte) kamen aus der Klassik, Schlagzeuger Jaki Liebezeit spielte vorher Free Jazz und Michael Karoli kam vom Beat. Nach einem Besuch in Irmin Schmidts Wohnung wurde der Bildhauer Malcolm Mooney spontan als Sänger engagiert. Ende 1968 stieg David Johnson aus, das verbliebene Quintett nannte sich nun "The Can" (das "The" fiel nach kurzer Zeit weg). Im Dezember 1969 erschien das Debütalbum "Monster Movie". Die vier Titel, darunter das zwanzigminütige "Yoo Doo Right", wurden von repetitiven, geradezu hypnotischen Rhythmen getragen, zu denen Michael Karoli typisch krautige Gitarrensoli beisteuerte, hinzu trat Malcolm Mooneys teils gemurmelter, teils herausgeschrieener "Gesang".

Nach Mooneys Ausscheiden Ende 1969 fand man in dem japanischen Straßensänger Kenji "Damo" Suzuki einen adäquaten Ersatz. In dieser neuen Besetzung folgte im August 1971 die Doppel-LP "Tago Mago", ein nicht nur für damalige Verhältnisse avantgardistisches und kompromissloses Werk mit teilweise völlig freien Klanggebilden. Noch leidenschaftlicher als sein Vorgänger schrie, flehte, hauchte, atmete Damo Suzuki Worte ins Mikrophon, Michael Karoli entlockte der Gitarre die eigenartigsten Töne. Erstaunlich und heutzutage undenkbar, dass "Tago Mago" in der deutschen LP-Hitparade immerhin Platz 38 erreichte.

Einen echten Hitparadenerfolg hatten Can im Dezember 1971 mit "Spoon", der Titelmelodie zum TV-Krimi "Das Messer" nach Francis Durbridge. "Spoon" kam in den Charts bis auf Platz 8, und in der Folge landeten Can in den Polls diverser Musikzeitschriften auf den obersten Plätzen. Dass Can dadurch keineswegs zur Kommerzialisierung ihrer Musik verleitet wurden, beweisen nachfolgende Alben wie "Ege Bamyasi" (1972), "Future Days" (1973), "Soon Over Babaluma" (1974) und "Landed" (1975), die trotz Hinwendung zu stärker durchkomponierten Stücken genau so experimentell und wegweisend sind wie ihre Vorgänger.

Nach dem schwachen "Flow Motion" (1976) verstärkte sich Can um die ehemaligen Traffic-Musiker Rosco Gee (Bass) und Reebop Kwaku Baah (Percussion), Holger Czukay war von nun an für Spezialeffekte zuständig. Die neuen Bandmitglieder brachten einen gehörigen Schuss Ethno-Musik in das nächste Can-Album "Saw Delight" (1977), das teilweise schon Santana-Anklänge hat.

Die beiden letzten Can-Alben, "Out of Reach" (1978) und "Can" (1979) entstanden ganz ohne Mitwirkung Holger Czukays. Wie bei so vielen klassischen Proggruppen zeigt sich auch bei Can in dieser Zeit eine Hinwendung zu simpleren Songstrukturen bis hin zur Verwendung von Discorhythmen. In der Folgezeit konzentrierten sich die Mitglieder der Band auf Soloprojekte, erst 1986 kam es zu einer kurzzeitigen Wiedervereinigung der "Monster Movie"-Besetzung, die zu dem Album "Rite Time" führte, das 1988 erschien.

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Cluster (Deutschland)


Cluster II, 1972
Babyblaue Prog-Reviews: Leitfaden: Krautrock (5)

Im November 1969 gründete der ehemalige Tangerine-Dream-Musiker Conrad Schnitzler mit Dieter Moebius und Hans-Joachim Roedelius die Formation Kluster. Auf zwei Schallplatten, "Klopfzeichen" (1970) und "Kluster Zwei Osterei" (1971) verbanden sie eigenartige strukturlose Klanggebilde mit Texten zeitgenössischer Autoren von teilweise mythisch-religiösem Inhalt. Im Mai 1971 verließ Schnitzler die Gruppe, um zunächst mit verschiedenen Musikern als "Kluster und Eruption" weiterzuarbeiten. Das verbliebene Duo Moebius/Roedelius spielte fortan unter dem Namen "Cluster".

Cluster knüpften nahtlos an die experimentelle Musik des ursprünglichen Trios an, verzichteten allerdings auf Texte. Das im April 1972 veröffentlichte "Cluster II" zeigt im Vergleich zu den "Kluster"-Werken durchaus eine gewisse Struktur, und zwar in Form von träge auf und ab wallenden Klangmassen, die manchmal an Fabrikgeräusche erinnern. Damit könnte man "Cluster II" als einen Vorläufer der sogenannten "Industrial Music" ansehen.

Zwischen 1973 und 1976 arbeiteten Moebius und Roedelius parallel zu Cluster mit dem ehemaligen Neu!-Musiker Michael Rother als "Harmonia". Möglicherweise ist es Rothers Einfluss zuzuschreiben, dass Cluster-Alben wie "Zuckerzeit" (1975) eine deutlich melodischere Komponente aufweisen, oft mit einer gewissen ironischen Komponente.

Bei einem Konzert in Hamburg 1974 trafen die Cluster-Musiker auf den britischen Elektronik-Spezialisten Brian Eno, dessen Faszination für die Werke des Duos in den gemeinsamen Alben "Cluster & Eno" (1977) und "After the Heat" (1978) mündete, die beide stark von Enos Ambient Music beeinflusst sind.

Parallel zu Cluster begannen Moebius und Roedelius mit der Veröffentlichung von Soloalben. Roedelius brachte 1978 "Durch die Wüste" heraus, Moebius folgte 1980 mit "Rastakraut Pasta". Durch Roedelius' Umzug nach Niederösterreich kam die Arbeit mit Cluster etwas ins Stocken. Nach dem wieder sehr avantgardistischen "Curiosum" (1981) erschienen erst in den 90ern erneut Cluster-Veröffentlichungen.

Zählt man die Soloalben der beiden hinzu, so kommen Moebius und Roedelius auf mittlerweile etwa achtzig Alben. Neben Tangerine Dream dürften sie damit wohl die produktivsten Elektroniker Deutschlands sein.

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Embryo (Deutschland)


Steig Aus, 1973
Babyblaue Prog-Reviews: Leitfaden: Krautrock (6)

Die Anfänge von Amon Düül und Embryo sind eng miteinander verbunden. So gründeten Christian Burchard (Schlagzeug, Perkussion) und Edgar Hofmann (Violine, Klarinette, Sax, Flöte und Perkussion) schon 1968 in München eine Jazz-Rock-Bigband namens Embryo, bei deren Jams auch Lothar Meid, Chris Karrer, Peter Leopold und Dieter Serfas des öfteren beteiligt waren. Die Band zerfiel allerdings schnell wieder, doch erhob sich aus ihren Trümmern 1969 eine neue Embryo-Formation, die sich recht bald einen Plattenvertrag bei Rolf-Ulrich Kaisers Ohr-Label erspielte. Die daraus resultierende LP "Opal" (1970), mit ihrer etwas bizarren Mischung aus Blues, Soul, Jazz und Rock gehört mit zu den ersten bedeutenden Krautrock-Scheiben.

Wie bei kaum einer anderen Band wechselte das Lineup von Embryo ständig, mit Hofmann und Burchard (später und bis heute nur noch Burchard) als einzigen festen Mitgliedern. Es bildete sich zudem eine Art Komplex von Jazzrock-Bands heraus, die gemeinsam auftraten und ihre Musiker untereinander austauschten: Embryo, Missus Beastly, Aera, Munju, Real Ax Band, Snowball u.a. (wem die Musik von Embryo zusagt, sollte daher auch einmal in eine Veröffentlichung der anderen Gruppen reinhören).

Mit "Embryo's Rache" (1971) folgte die wohl prog-rockigste Scheibe von Embryo, kamen hier doch ein Sänger und sogar ein Mellotron zum Einsatz. Danach spielten Embryo in kurzer Folge drei LPs ein - "Father, Son and Holy Ghosts" (1972), "Steig Aus" (1973) und "Rock Session" (1973) - die alle unter recht ähnlichen Bedingungen entstanden: Als "Sessions", mehr oder weniger live im Studio improvisiert. Als Jazzrock könnte man den Stil knapp umschreiben, am ehesten noch mit Perigeo, Mahavishnu Orchestra oder Return to Forever zu vergleichen. Da die Mitspieler auf den Produktionen aber ständig wechselten, schwankte auch der Stil ein wenig: mal rockiger, mal meditativ-spaciger, mal wieder jazziger. Ab und zu schleicht sich ein Ethno-Element ein (so zupft z.B. Sigi Schwab auf "Father, Son and Holy Ghosts" u.a. diverse orientalische Saiteninstrumente).

Auf "Steig Aus" ist das kollektive Zusammenspiel der Musiker vielleicht am gelungensten und das musikalische Material am interessantesten und abwechslungsreichsten. Nach den sich in ähnlichen Gefilden bewegenden LPs "We keep on" (1974, mit Charlie Mariano) und "Surfin" (1975) stieß mit Maria Archer eine Sängerin zur Band und die Musik wurde zunehmend soul- und funkorientierter (wie die Alben "Live", "Bad Heads & Bad Cats" und "Apo Calypso" belegen). Ein einschneidendes Erlebnis für die Band sollte eine neunmonatige Tour durch Asien werden, die 1978/1979 stattfand und die auf dem Doppelalbum "Embryo's Reise" (1979) festgehalten ist. Nach dieser Tour wurde die Musik von Embryo zu einer Art Ethno-Funk-Jazz-Rock. Die unzähligen Veröffentlichungen zu erwähnen, die es seither gab, würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen. Wer sich aber für die jazzige Seite des Krautrocks interessiert, der kommt um die ersten LPs von Embryo und besonders um "Steig Aus" nicht herum!

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Faust (Deutschland)


So far, 1972
Babyblaue Prog-Reviews: Leitfaden: Krautrock (7)

Wenn man der Geschichte in Julian Copes vorzüglichem Buch "One head's guide to the GROSSE KOSMISCHE MUSIK" glaubt, wurden FAUST auf Anregung des A&R-Mannes der Deutschen Polydor, Kurt Enders, durch Uwe Nettelbeck initiiert. Der verwendete den Vorschuss, um in Wümme ein Schulhaus in eine Studio umzuwandeln, in dem die Band ihre Ideen aufnehmen konnte.1971 erschien die erste LP, transparentes Vinyl in einer transparenten Plastikhülle mit dem Röntgenbild einer Faust und einem ebenfalls transparenten Beiblatt. Die Platte verkaufte sich in Deutschland so gut wie gar nicht, während sie in England recht populär wurde. Dies führte dazu, dass das zweite Album "So Far" zuerst dort erschien, diesmal (fast) völlig in schwarz mit zwölf beigelegten Bildern, die die Songs illustrierten. Nettelbeck selbst beschrieb die Musik wie folgt: "...die Musik sollte nach Bootleg klingen, als hätte sie einer aufgenommen, der zufällig eine probende oder jammende Band getroffen, und der dann das aufgenommende Material wild zusammengschnitten hätte." Eröffnet wird SO FAR mit "It's a rainy day (sunshine girl)", monoton, simpel und mit einem tollen Saxophonsolo. Weiter gehts mit einer bizarren Mischung aus Freeform, Kinderlied, krautrockigen Improvisationen und diversen anderen Einsprengseln.

Für die einen waren FAUST schlicht Schrott, Dilettanten im Studio, für die anderen die Speerspitze der deutschen Bands, nur noch vergleichbar mit CAN. Sei's drum, nachdem sie beim neuen VIRGIN-Label unterschrieben hatten, veröffentlichten sie dort noch "The FAUST tapes" und FAUST IV, die ähnlich genial waren wie die beiden Erstlingswerke, ferner auf dem CAROLINE Label eine Zusammenarbeit mit Tony Conrad. Um 1975 verschwand die Band im Orkus der Geschichte, wurde aber im Laufe der Jahre zur Legende des Krautrocks. Später erschienen noch Platten mit unveröffentlichtem Material (The Last LP, Munich & eleswhere, 71minutes of.."). Mit "RIEN" legten FAUST zwanzig Jahre später (mit drei von ursprünglich fünf Mitgliedern) ein tolles "Comeback" vor. Seitdem erscheinen wieder mehr oder weniger regelmäßig neue Platten.

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Guru Guru (Deutschland)


Känguru, 1972
Babyblaue Prog-Reviews: Leitfaden: Krautrock (8)

Auf den Internationalen Essener Songtagen des Jahres 1968 gab es eine Nachmittagsshow unter dem Titel "Popmusik aus Deutschland". Unter den auftretenden Bands war neben Amon Düül und Tangerine Dream auch eine Gruppe namens Guru Guru Groove. Die Band war im selben Jahr um den Schlagzeuger Mani Neumeier entstanden und pflegte die Zuhörer in ihren Konzerten mit einer recht bizarren Mischung aus Chaos, Rock, Improvisation, Jazz und Krach entweder zu verblüffen oder zu verärgern. Bis Anfang der 7ziger kristallisierte sich die Triobesetzung Ax Genrich (ehemals Gitarrist von Agitation Free), Uli Trepte und Mani Neumeier heraus, der "Groove" verschwand aus dem Bandnamen, man unterzeichnete einen Plattenvertrag mit dem Ohr-Label und wurde so zu einer von Rolf-Ulrich Kaisers "kosmischen" Gruppen.

Die ersten drei LPs der Band ("Ufo", 1970, "Hinten", 1971 und "Känguru", 1972) wurden von besagtem Trio eingespielt und man findet darauf, gitarrenlastigen, psychedelischen Space-Rock, irgendwo in der Nähe von Hendrix und Cream, mit ausufernden Stücken und dem Hang zu eher freiem Improvisieren, was vermutlich auch auf den Einfluß diverser bewustseinserweiternder Substanzen zurückzuführen war. Musikalisch blieb es dabei auch auf der vierten, schlicht "Guru Guru" benannten LP von 1973, auf der Trepte allerdings durch Bruno Schaab ersetzt worden war.

Waren die ersten beiden LPs noch recht roh und mitunter unausgewogen, gelang mit "Känguru" die Perfektion dieses Stils: Nicht allzu abgedrehte, psychedelisch-verspielte, spacig-gitarrenlastige Musik, dazu beeindruckendes Schlagzeugspiel und ein guter Schuss Humor. Gerade durch letzteren hoben sich Guru Guru angenehm von den meisten anderen Krautrockern ab, die eher dazu tendierten, sich und ihre Musik zu ernst zu nehmen. Ein schönes Beispiel dafür ist auch das auf der schon erwähnten vierten LP ("Guru Guru") zu findende Stück "der Elektrolurch", das wohl bekannteste Werk der Band und bis heute im Live-Repertoire von Neumeier zu finden. Mit Ax Genrich, der die Band nach "Guru Guru" verließ, verschwand das psychedelisch-spacige Element aus der Musik von Guru Guru, die in Zukunft zwischen eher jazzrockigen Gefilden und "normalem" Deutschrock hin und her pendeln sollten. Erwähnenswert sind vielleicht noch das Jazzrockalbum "Dance of the Flames" (1974), mit dem besessenen Gitarrenspiel des Inders Houschäng Nejadepour, das duchaus Vergleiche mit John McLaughlin aushalten würde, und die Live-Doppel-LP von 1978. Guru Guru gibt es in der einen oder anderen Form bis heute und nachdem man in den 8zigern eine eher soulig-funkige Phase hinter sich gebracht hat, geht die Musik der Band seit Ende der 9ziger wieder in eine experimentellere Richtung, jetzt im Klanggewand des neuen Jahrtausends.

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Kraan (Deutschland)


Kraan, 1972
Babyblaue Prog-Reviews: Leitfaden: Krautrock (9)

Kraan waren zweifellos einer der musikalisch ausgefeiltesten und technisch versiertesten Bands der 70er Jahre. Zudem gelang es ihnen, sich über die Grenzen Deutschlands hinaus einen veritablen Bekanntheitsgrad zu erspielen, auch wenn sie aus politischen Gründen nie den Sprung über den großen Teich wagten. Als vielköpfige Kommune lebten die ursprünglich aus der Ulmer Szene stammenden Musiker zusammen mit einigen Gleichgesinnten fast fünf Jahre in einem aus dem Jahr 1871 stammenden Gutshof im Teutoburger Wald, kostenlos zur Verfügung gestellt vom Kulturmäzen Graff Metternich. In jener Zeit entstanden ihre innovativsten Alben. Später - bis hin zur ersten Bandauflösung Mitte der 80er - richteten sich Kraan, nach diversen Umbesetzungen (u.a. statt Saxophon Keyboards), wesentlich melodischer, zum Teil auch etwas glattgebügelter aus.

Kraan's Debüt aus dem Jahre 1972 ist noch wesentlich deutlicher von Krautrock und Psychedelic Rock geprägt, während sich die vier Kraaniche auf späteren Alben immer mehr Richtung Jazz Rock und Fusion bewegten. Doch auch der namenlose Erstling hat seine Qualitäten und dokumentiert in ausufernden, improvisierten Instrumentalteilen die Klasse der Band, die später immer mehr verfeinert werden sollte. So steht zwar das variationsreiche, ständig groovende Bass-Spiel von Helmut Hattler noch etwas im Hintergrund, doch zusammen mit Schlagzeuger Jan Fride sorgt er für ein packendes, hypnotisches Rhythmusgeflecht. Dafür tritt als Solist besonders dominant Saxophonist Johannes Pappert in Erscheinung - im Wettstreit mit Gitarrist Peter Wolbrandt, der zusätzlich einige ziemlich abgedrehte, drogengeschwängerte Texte beisteuert. Bei zwei Titeln sorgt die Hinzunahme von fettem Orgelsound für gepflegtes 70's Feeling, und der All-Time-Favourit "Kraan Arabia" steuert mit Percussion und arabischem Flair in damals noch weitestgehend unbekannte Ethno-Gefilde.

Die eigentliche Stärke von Kraan war aber die Bühne. 1974 nahmen sie das legendäre Livealbum "Kraan Live" auf, welches als eines der besten Rock-Livealben jener Dekade angesehen wird. So gehören sie, nach der erfolgreichen Reunion im Jahr 2000, auch heute noch zum Besten, was Deutschland bietet. Ihre unbändige Spielfreude begeistert gleichzeitig Publikum und Kritiker, die kollektiv beseelt das Tanzbein zu den groovenden Kraan-Rhythmen schwingen.

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Neu! (Deutschland)


Neu!, 1972
Babyblaue Prog-Reviews: Leitfaden: Krautrock (10)

Die Geschichte des Krautrock-Duos Neu! begann 1971, als Klaus Dinger und Michael Rother zusammen bei Kraftwerk spielten. Kraftwerk-Mitbegründer Ralf Hütter hatte sich vorübergehend von der Gruppe verabschiedet, und so tourte man in der Besetzung Florian Schneider (Flöte), Klaus Dinger (Schlagzeug) und Michael Rother (Gitarre). Leider kam es nie zu einer Plattenveröffentlichung dieser Kraftwerk-Besetzung, lediglich ein Auftritt in der legendären TV-Sendung "Beatclub", wo man ein Stück mit dem Titel "Rückstoßgondoliere" spielte, zeigte das kreative Potential des Trios. Schließlich kehrte Hütter noch 1971 zu Kraftwerk zurück, Dinger und Rother stiegen aus und arbeiteten fortan als Duo unter dem Namen "Neu!".

Gerade mal vier Nächte im Dezember 1971 reichten den beiden, um einen Meilenstein des Krautrocks einzuspielen, ein Album, das seit seinem Erscheinen immer wieder von Musikern unterschiedlichster Art (u.a. Brian Eno, David Bowie, Radiohead) als wichtiger Einfluss genannt wird.

Das musikalische Spektrum des "Neu!"-Debüts, das ohne jegliches elektronische Instrumentarium aufgenommen wurde, umfasst einerseits bizarre, unstrukturierte Klangcollagen, andererseits Stücke, die - typisches Merkmal auch späterer Dinger-Projekte - von einem einförmigen Rhythmus geprägt und zudem mit allerlei Gitarreneffekten ausgestattet sind.

Auf "Neu! 2" wurde noch radikaler experimentiert, teilweise wurde dasselbe Stück mit diversen Effektgeräten bearbeitet. Das dritte Album des Duos, "Neu! 75", ist nicht mehr so experimentell ausgefallen, dafür scheint es mit Songs wie "Hero" und "After Eight", die von einfachen, harten Gitarrenriffs und herausgeschrieenem Gesang bestimmt sind, das Aufkommen des Punk vorweg zu nehmen.

Anfang 1975 trennte sich das Duo. Michael Rother begann seine Solokarriere (sein Album "Flammende Herzen" erschien im März 1977), Klaus Dinger gründete mit seinem Bruder Thomas sowie dem Schlagzeuger Hans Lampe die Formation La Düsseldorf, die bis 1983 existierte. Drei Jahre später kam es zu einer kurzzeitigen Wiederbelebung von Neu!, was zum Album "Neu! 4" führte, das allerdings erst in den 90ern veröffentlicht wurde und mittlerweile leider vergriffen ist. Seit Mitte der 90er widmet Klaus Dinger sich mit der Formation "La! Neu?" weiter dem experimentellen Krautrock.

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Popol Vuh (Deutschland)


In den Gärten Pharaos, 1972
Babyblaue Prog-Reviews: Leitfaden: Krautrock (11)

Popol Vuh dürften den meisten als die Haus- und Hofkomponisten des Filmemachers Werner Herzog bekannt sein, die die Soundtracks zu Herzogs "Aguirre", "Fitzcarraldo" und "Cobra Verde" lieferten. Erstes Aufsehen erregten Popol Vuh jedoch schon 1970 mit ihrem Debüt "Affenstunde", das eines der ersten Alben war, bei dem eine Rockband den großen Moog-Synthesizer einsetzte. Dies war umso erstaunlicher, als Fricke und sein Moog-Partner Frank Fiedler den Synthesizer nicht zur Imitation bekannter Klänge nutzten, sondern als eigenständiges Instrument neu auszuloten versuchten.

Schon auf Affenstunde schien die alles erfassende Spiritualität durch, die Frickes Musik immer kennzeichnete. Diese wurde auf "In den Gärten Pharaos" weiter entwickelt. Dessen erste Seite entwirft tatsächlich das friedliche Klangbild eines orientalischen Meditationsgartens, die zweite Seite entfesselt in gewaltigen Orgel- und Beckenschüben düstere Visionen einer gequälten Seele.

Nach "In den Gärten Pharaos" wandte sich Fricke verstärkt christlichen Themen zu, was Titel wie "Hosianna Mantra", "Seligpreisung" oder "Das Hohelied Salomos" schon andeuten. Folgerichtig wurde auch die Musik bei gleichbleibender spiritueller Durchtränkung pastoraler, deutlich akustischer ausgerichtet, mit viel Piano, akustischer Gitarre und zerbrechlich-schönem Frauengesang. Spätere Popol Vuh-Alben sind musikalisch mehr im Bereich irgendwo zwischen Ethno und New Age beheimatet denn im Krautrock. Im Dezember 2001 erlag Florian Fricke in seiner Münchner Wohnung einem Schlaganfall.

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Wallenstein (Deutschland)


Blitzkrieg, 1972
Babyblaue Prog-Reviews: Leitfaden: Krautrock (12)

Wallenstein war die Gründung des klassisch ausgebildeten Musikers Jürgen Dollase. Ursprünglich sollte der Name der im Spätherbst 1971 entstandenen Band "Blitzkrieg" lauten. Da dieser jedoch bereits von einer älteren britischen Band beansprucht wurde, wechselte man zu "Wallenstein" und wählte "Blitzkrieg" als Titel für das Debütalbum.

"Blitzkrieg" ist eine interessante Verbindung von Krautrock und dem damals durch Gruppen wie "The Nice" oder "Emerson, Lake & Palmer" aufkommenden Klassik-Rock. Ihren Reiz bezieht die Musik aus dem steten Wechsel von treibenden Rockpassagen mit typisch "krautigen" Gitarreneinsätzen und ruhigeren Stellen, die durch Jürgen Dollases klassisch geschultes Klavierspiel dominiert werden.

Nur wenige Monate später folgte "Mother Universe", das mit dem Titelsong einen weiteren Klassiker des Krautrocks enthält, ansonsten aber etwas durchwachsen ausgefallen ist. Danach wechselte die Besetzung, und man erweiterte sie um einen Violinisten. Gleichzeitig konzentrierte sich Jürgen Dollase mehr aufs Klavier, was den beiden folgenden Alben "Cosmic Century" (1973) und "Stories, Songs & Symphonies" (1975) einen noch stärker klassischen Touch verlieh, weniger im symphonisch-bombastischen als im kammermusikalischen Sinn. Neben beeindruckenden Duetten von Violine und Klavier enthalten beide Alben allerdings auch einige weniger gelungene Stücke.

1978 entließ Jürgen Dollase sämtliche Bandkollegen und stellte eine völlig neue Wallenstein-Besetzung zusammen, die sich anspruchsloser Chartsmusik widmete. So gelang Wallenstein noch im gleichen Jahr mit "Charline", der Single zum gleichnamigen Album, ein auch international erfolgreicher Discohit. Während "Blue Eyed Boys" (1979) und "Fräulein" (1980) noch an den kommerziellen Erfolg von "Charline" anknüpfen konnten, ließ das Interesse an Wallenstein Anfang der 80er Jahre rapide nach. Unter dem Einfluss der damals aufkommenden Neuen Deutschen Welle erwog Dollase die Umstellung auf deutsche Texte, entschloss sich dann aber Ende 1982, Wallenstein aufzulösen.

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Tipps abseits der Hauptliste

Agitation Free (Deutschland)


Malesch, 1972

Agitation Free entstanden schon 1967 als Coverband "The Agitation". Doch begann die Band bald zu improvisieren, entdeckte Pink Floyd und entwickelte ihr eigenes Konzept: Eine Mischung aus psychedelischen Jams und Jazz/Rock-Improvisationen. Während der Liveauftritte experimentierte man mit Flüssigkeitsprojektoren, Dias und selbstgedrehten Schmalfilmen. Die 1972 erschienene erste LP der Band "Malesch" ist ein gelungener Versuch psychedelischen Rock und Jazzrock zu verbinden. Spacige Gitarren, wabernde Keyboards und eine jazzig-exotische Rhythmusgruppe bestimmen die Musik, Gesang gibt es nicht. Auch die zweite ("2nd", 1972) und die letzte LP ("Last", 1973) folgen diesem Schema, sind aber nicht mehr so abwechslungsreich und spannend wie der Erstling.

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Annexus Quam (Deutschland)


Osmose, 1970

Annexus Quam entstanden schon 1967 als eine Art experimentelle Beatband in Kamp-Lintford. Daraus entwickelte sich ein siebenköpfiges Musikerkollektiv, für das experimentelle Klanggestaltung und Improvisation im Zentrum seines Schaffens stand (so ist es zumindest dem Covertext von "Osmose" zu entnehmen). 1970 erschien diese erste LP der Band auf Kaisers Ohr-Label. "Osmose" ist eine gut 35-minütige Kollektivimprovisation in vier Teilen auf Jazz- und Rock-Grundlage, eher ruhig bis meditativ, mitunter leicht psychedelisch (fast an die frühen Pink Floyd gemahnend), bisweilen eher an Bigband- und Freejazz angelehnt oder wieder an einen Westcoast-Jam erinnernd. Die Musik diffundiert durch den Klangäther und man kann sich vorstellen, dass mit den entsprechenden bewußtseinserweiternden Hilfsmitteln versehene Zuhörer dabei wirklich auf einen kosmischen Trip gingen. Trotzdem, sehr gut gemacht ist die Scheibe, es wird nie langweilig (im Gegensatz zu manch anderem "kosmischen" Krautrockelaborat) und die Band spielt perfekt zusammen. "Beziehungen", die zweite und letzte LP der zum Quintett geschrumpften Band erschien zwei Jahre später und perfektionierte das Konzept aus Klanggestaltung und Improvisation. Geboten wurde eine Art Free-Jazz-Rock (Betonung auf "Free"), der kaum noch in die Krautrockschublade passt. "Osmose" jedoch ist ein sehr gelungenes Beispiel für die Vielfalt dieses Genres!

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Mythos (Deutschland)


Mythos, 1972

Mythos entstand 1969 auf Initiative von Stephan Kaske (Querflöte, Keyboards, Gesang, Gitarre), der in Harald Weisse (Bass) und Thomas Hildebrand (Schlagzeug) zwei Mitstreiter fand. Diverse Auftritte der Band beeindruckten den in diesem Leitfaden schon mehrfach erwähnten Rolf-Ulrich Kaiser so sehr, daß die Band 1972 ihr Debüt-Album beim Ohr-Label veröffentlichen konnte. "Mythos" gilt als eine der interessantesten und abwechslungsreichsten Veröffentlichungen von "Ohr" und bietet eine gelungene Mischung aus Folk, Psychedelischem und Space-Rock. Erwähnenswert sind vor allem die LP-Seiten-lange Jam-Suite "Encyclopedia Terra", eine Bearbeitung von Händels Feuerwerksmusik namens "Mythoett", das frühe ethno-psychedelische Werk "Oriental Journey" und besonders Kaskes Querflötenspiel. Mit dem entspannt-meditativen Album "Dreamlab" erschien erst 1975 eine zweite Scheibe. Danach wandte sich Kaske eher "normalem" Rock zu ("Strange Guys", 1977, und "Concrete City", 1979), bevor er Ende der 7ziger die Band auflöste. Kaske veröffentlichte danach einige seiner meist elektronisch-experimentellen Soloalben weiter unter dem Namen Mythos.

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Xhol (Caravan) (Deutschland)


, 1972

Xhol Caravan entstanden 1967 als Soul Caravan in Wiesbaden und veröffentlichten noch im selben Jahr eine LP namens "Get in high", mit soulgeprägter R&B-Musik. Bis 1969 hatten nicht nur die beiden schwarzamerikanischen Sänger die Band verlassen, sondern auch der Bandname hatte sich in Xhol Caravan verändert, und die Musik war zu einer von Orgel und Sax getragenen Mischung aus Jazz und psychedelischem Rock mit einer Prise Soul und Blues geworden. Mit "Electrip" erschien im selben Jahr die erste LP dieser neuen Formation, die eine der frühesten eigenständigen Rockproduktionen aus deutschen Landen darstellt. Ein Jahr später begannen die Aufnahmen zu einer zweiten LP, die den geistreichen Titel "Motherf*ckers GMBH & Co." tragen sollte. Aus welchem Grund auch immer erschien dieses Album erst mit zwei Jahren Verspätung (1972), als es die Band schon gar nicht mehr gab. Die Scheibe bietet eine recht bizarre Mischung aus leicht souligem, treibendem Jazzrock (insbesondere der lange, abgefahrene Jam auf "Love Potion No. 9" erinnert stellenweise an Soft Machine) und experimentellen Seltsamkeiten (das Stück "Orgelsolo" stellt ein meditatives neunminütiges Orgelgewimmer dar, der Track "Grille" unterlegt ein siebenminütiges Zirpen dezent mit Perkussion). Ein schönes Beispiel, welch obskure Hervorbringungen es im Deutschland der frühen 7ziger gab. Doch hatten die Musiker wirklich etwas auf dem vielzitierten "Kasten". Ein Live-Mitschnitt der Band, die sich - angeblich um Verwechslungen mit einer bekannten Band aus Canterbury zu vermeiden - jetzt nur noch Xhol nannte, erschien schon 1971 (die LP taucht in Diskographien mal unter dem Titel "Hau-RUK", mal unter "Xhol" auf).

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Babyblaue Prog-Reviews: Leitfaden: Krautrock (2024)

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